Die ersten Tage

Die Euphorie der Anreise weicht einer gewissen Ernüchterung als meine Wanderung mit dem Klingeln des Weckers Realität annimmt. Der klingelt um 06:00 Uhr deutlich zu früh und wird vorerst mit einigen Snoozes abgespeist. Das Frühstück um 07:00 Uhr möchte mir dann auch nicht so recht schmecken, sodass ich nach der Rückkehr ins Zimmer das Packen des Rucksackes um weitere 20 Minuten verschiebe und schließlich, deutlich später als erhofft, um 09:00 Uhr aufbreche.

Was soll’s. Ich habe heute erst einmal knapp 10km durch Trieste vor mir. Die Temperaturen sind Nachts nicht unter 23°C gefallen und die Sonne tut ihr übriges. Fragende Blicke einiger Passanten scheinen mein Gefühl vom Morgen zu bestätigen – wär ich doch lieber im Bett geblieben.

Nach 2 Stunden liegt Trieste mit seinem heißen Asphalt hinter mir und ich komme in den Genuss von etwas Schatten. Nun sehe ich auch zum ersten Mal die offizielle Wegmarke der Via Alpina. Sie wird die nächsten Tage noch einige Male auftauchen, primär gestaltet sich die Wegführung aber durch lokale alpine Markierungen.

Mein Weg führt mich durch eine Art Canyon, der Bach im Tal ist nur wenig gefüllt. Ganz Slowenien wird sich mir später von einer ähnlich trockenen Seite zeigen. Dennoch genieße ich die Aussicht und lasse mich von den Geräuschen der Zykaden weiter begleiten.

Der Rest des ersten Etappe ist weniger erwähnenswert. Über heiße Schotterpisten zieht sich mein Weg Richtung Matavun. Zweifel an der Sinnhaftigkeit meiner Unternehmung inklusive. Ich versuche diese, ähnlich wie die Hitze, sportlich zu nehmen. Ehrlich gesagt, kann ich mich an keine Wanderung erinnern, die ich unterwegs nicht des Öfteren hinterfragt hätte.

„Was mache ich hier eigentlich?“

Felix, irgendwann auf so ziemlich jeder Wanderung 😅

Nachmittags erreiche ich das Hostel Skrla nach insgesamt 30km und 900HM. Im Mehrbettzimmer treffe ich auf den Franzosen Didier. Auch er plant etwa 3 Monate auf der Via Alpina zu wandern, hat ebenfalls die Pyrenäen durchwandert. Darüber hinaus kommen wir nicht ins Gespräch. Sofern wünsche ich ihm alles Gute und wende mich den wichtigen Dingen zu:

Erst eine Dusche, dann ein kaltes Bier. Was hab ich hier je angezweifelt?

Später treffe ich noch auf Ori. Er ist mit dem Rad unterwegs. Satte 45kg – da tut jedes Prozentchen Steigung weh. Vier Wochen hat er wohl Zeit, schaut wie weit er auf dem Euro-Velo kommt. Wir unterhalten uns noch einige Zeit an diesem Abend, falls ich einen Job brauche, könnte ich ihn ja kontaktieren. Zumindest aber soll ich Bescheid geben, wie meine Wanderung läuft. Das werde ich sicherlich tun, wenn dieser Blog ein paar mehr Einträge hat.

Der zweite Tag

Für den zweiten Tag plane ich nur eine kürzere Etappe. Knapp 24km und 1100HM. Langsam reinkommen ist der Gedanke.

Nach etwa 10km freue ich mich auf einen Supermarkt, der frisches Obst und kaltes Wasser verspricht. Gerade als ich zum Supermarkt abbiegen möchte, rollt u meiner Überraschung ein Radfahrer kurz vor mir die Straße entlang – es ist Ori vom Vorabend. Ich treffe ihn 20m später an einer Bushaltestelle, ähnlich begeistert von Hitze und den Anstiegen. Ich gebe ihm noch den Rat sich nicht wieder von mir einholen zu lassen, alles andere wäre ja peinlich, und wünsche ihm zum zweiten und vermutlich letzten Mal eine gute Reise.

Tagesziel: Die Hütte Vojkova Koca auf dem Gipfel

Noch knapp 10km und ich bin für heute fertig. Daher schockt mich der Anblick der Erhebung vor mir weniger. Um 14 Uhr sollte ich oben sein und den Tag ähnlich gemütlich ausklingen lassen wie gestern.

Oben angekommen sehe ich, dass die Hütte geöffnet hat, Getränke und Essen verkauft. Leider wird meine Frage nach einer Übernachtungsmöglichkeit verneint. Es gibt zwar satte 48 Betten, aber zur Zeit sei nichts los, man wolle außerdem eine neue Hütte bauen und einfach so draußen an der Hütte biwakieren sollte ich doch bitte auch nicht. Dies hätte sich im Nachhinein auch schwierig gestaltet, da die Hütte (wie so ziemlich alle slowenischen Hütten) kein fließendes Trinkwasser hat. So hätte ich allein für 3l Trinkwasser 9€ locker machen müssen.

Kurzerhand suche ich bei Booking.com eine Alternative. Knapp 20km extra. Gut, dann muss der erste Tag zum Warmlaufen reichen.

Ich stärke mich mit einer Cola und einem Apfelstrudel und unterhalte mich währenddessen mit zwei Deutschen, die ich beim Aufstieg überholt hatte. Ihre Unterkunft für die Nacht liegt mit 100€ doch etwas oberhalb meiner Schmerzgrenze, sodass ich mich nicht unbedingt freudestrahlend, aber entschlossen nach Col zu meiner deutlich günstigeren Gaststätte aufmache.

Deutlich sympathischer als die Zykaden.

Am Ende des Tages habe ich 43km und 1500HM in den Beinen. Als um 18:15 Uhr der Regen einsetzt, komme ich gerade an meiner Unterkunft für die Nacht an. Der Gastwirt ist sehr freundlich und lässt mich, trotz geschlossenem Restaurant, die zwei redlich verdienten Biere für den Abend bereits im Vorraus bezahlen, später bediene ich mich einfach am Kühlschrank.

Kurz nach mir kommt schon der nächste Deutsche. Dieter ist mit seiner Enduro unterwegs. Unser nettes Gespräch muss ich vorzeitig beenden, um die nächste kurze Nacht zu vermeiden.

Der dritte Tag

Stell dir vor du wachst auf und bist 30 Jahre älter … Oder zumindest ein Teil von dir. Meine Achillessehnen und Waden sind heute morgen jedenfalls reif für die Frühpensionierung. Soviel zum Thema Warmlaufen 😬

Nach etwas altersgerechter Sitzgymnastik, löffele ich mein Frühstück runter und mache mich um 07:30 Uhr auf. Durch meine verlängerte Tour am Vortag habe ich heute nur knappe 27km vor mir. Trotzdem wird der morgen anstrengend. Satte 700 Höhenmeter bei eklig schwüler Hitze erwarten mich, sodass ich bereits um 09:00 Uhr morgens weiß, dass sich die nächste Dusche lohnen wird.

Ein erster Blick auf die höheren Berge.

Optisch hat der Tag sonst wenig zu bieten. Ich passiere viele Bauernhöfen und bin primär auf Straßen und Wirtschaftswegen unterwegs. Eine Pause in Crni Vrh nutze ich, um Unterkünfte zu buchen. Für die nächsten vier Nächte bin ich versorgt.

Der Abstieg nach Idrija gestaltet sich wandertechnisch sehr schön. Steile Singletrails verleiten fast etwas mehr Gas zu geben, aber heile Knochen sind mir heute wichtiger als eine kleine Trail-Running Einlage. Ein kurzer Schauer begleitet mich nach Idrija. Erster Stop Supermarkt: Brot, Hummus, Salat 😍

Den Rest des Tages nutze ich für ein Nickerchen, einen ordentlichen Einkauf im Supermarkt und um diesen Blog zu schreiben.

Die nächsten Tage geht es langsam in die Berge. Nächste Woche bin ich bereits in Österreich und so langsam merke ich, dass, wie der Appetit beim Essen, die Wanderlust beim Waden-Dehnen kommt.

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